Israel ist an geballten Highlights auf kleinstem Raum kaum zu überbieten. Das Besondere daran ist die Einzigartigkeit dieser Orte. Es gibt viele wunderschöne attraktive Reiseländer, doch wenige bieten so besondere Orte, dass man sie nicht irgendwo anders in ähnlicher Form auch erleben könnte. Was die so spezielle Magie des Heiligen Landes ausmacht, habe ich versucht in Worte zu fassen.

Bereits auf dem Hinflug meiner ersten Israel-Reise hatte ich ein für mich ungewohnt verunsichertes Gefühl. Was würde mich erwarten?

Fahre ich doch in ein Land, das für sich ein Krisenherd ist und dazu noch inmitten mehrerer solcher liegt. Ein Ort der seinen Platz in den täglichen Nachrichten fast abonniert hat. Hinzukommt, dass unsere Vorfahren einen Völkermord unbeschreiblichen Ausmaßes an den Juden begangen haben. Klar gehört das der Vergangenheit an, die hoffentlich die meisten von uns in der angemessenen Tiefe aufgearbeitet haben. Doch wer sollte es jemanden verübeln, wenn er mich für das was unsere Großeltern-Generation an Unrecht verübte, einfach weiterhin abgrundtief hasste? Und wie würden die israelischen Araber und Palästinenser auf Deutsche reagieren? Unterstützt Deutschland doch den Staat Israel in allen Belangen und zieht bei internationalen Abstimmungen, die zu politischen Konflikten führen könnten, nicht selten die Karte der Enthaltung.

So kam ich in Gedanken am Flughafen in München an – äußerst früh, da bei Israelflügen erhöhte Sicherheitsvorkehrung gelten. Am Schalter angelangt erfuhr ich, dass Flüge nach Tel Aviv ein separates Terminal hätten. Dieses glich einer eher zweckmäßigen Halle. Ich fragte mich, welche Sicherheitsmechanismen wohl gerade im Hintergrund abliefen und ich fühlte mich ein wenig wie in einem Agentenfilm, aber sicher nicht mehr wie an einem Ort im beschaulichen München. War ich doch umgeben von schwarzgekleideten Reisenden mit rasiertem Kopf, Zöpfchen und Kopfbedeckungen von kleinen Kappen bis hin zu auffälligen Hüten. Ein ungewöhnliches Bild, dass man selten auf der Straße sieht. Ich war also schon vor dem Abflug angekommen. Das Durchleuten am Sicherheitscheck verlief entgegen meiner Erwartungen sehr entspannt und auch nicht intensiver als für einen US-Flug.

Endlich saß ich im Flugzeug und wir rollten in Richtung Startbahn… flankiert von Blaulichtern der Fahrzeuge des Bundesgrenzschutzes? Die Stewardess versicherte mir, dass das gängige Praxis wäre. Ein wenig lächelnd lehnte ich mich zurück und hatte nun den letzten Beweis, dass ich auf dem Weg an einen sehr speziellen Ort sein musste. In ein paar Stunden würden wir in Tel Aviv aufsetzen. Von dort aus würde ich nach Nazareth reisen um ein paar Tage zum See Genezareth zu wandern und herunterzukommen. Dann ging‘s weiter nach Jerusalem und zu den zahlreichen Highlights rund um das Tote Meer.

» Ankunft in Tel Aviv

Die Einreise nach Israel war problemlos entgegen der urbanen Legenden meines Sitznachbarn, der mir als alleinreisendem Mann eine langwierige Befragung prophezeite.

Tel Aviv bildet das weltlich-irdische Pendant zum eher konservativ-spirituellen Jerusalem. Das stetig wachsende Wirtschaftszentrum mit seinen modernen Hochhäusern, coolen Bauhaus-Stadtteilen, Kunstgalerien, entspannten Bars und Restaurants und dem wahrscheinlich saubersten und coolsten Stadtstrand am Mittelmeer wird in Israel auch als Stadt der Sünde bezeichnet. Hauptgrund dafür ist das ausgeprägte Nachtleben in den hippen Clubs der Stadt, in denen bis in die frühen Morgenstunden gefeiert wird.

Tel Aviv ist keine klassische Schönheit im städtebaulichen Sinn. Dennoch hat die Stadt der Sünde von einer wunderschön orientalischen Altstadt (Jaffa), über ergreifende Museen, einem tollen Strand bis hin zum chilligen Nachtleben ungemein viel zu bieten. Der einzige Grund nicht länger als 2-3 Nächte zu bleiben, sind letztlich die unendlich vielen weiteren faszinierenden Orte in Israel. So war Tel Aviv ein äußerst entspanntes Warm Up für mich, sich in die vielfältige Kultur einzufinden.

Dort lernte ich auch Izak kennen, ein Taxifahrer der mich zum Schnäppchenpreis an meine Ziele befördern würde. Nichts ist wirklich weit entfernt in Israel, sodass man mit ein bisschen Verhandlungsgeschick schnell und komfortabel von A nach B kommt.

Tel Aviv | Luftbild der Innenstadt im Sonnenlicht

Tel Aviv | Die Innenstadt birgt zahlreiche interessante Orte, Bild: Dana Friedlander für Israeli Ministry of Tourism bei flickr.com. Lizenz: CC BY-ND 2.0

» Der Jesus Trail von Nazareth zum See Genezareth

Auf den Jesus Trail bin ich irgendwann mal durch einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung aufmerksam geworden. Er ist eine leichte mehrtägige Wanderung über 62 km von Nazareth nach Kapernaum am See Genezareth. Die unglaublich schöne und vielfältige Strecke führt über etliche Naturspektakel vorbei an zahlreichen religiösen und historischen Orten auf den Spuren Jesu Christi durch das magische Galiläa im Norden Israels. Mit Jesus geht’s allerdings scheinbar bergab, denn das konstant leicht abschüssige Höhenprofil ist abgesehen von ein paar Bergen auf dem Weg entspannt. Von knapp 400m über NN liegt das Ziel am See Genezareth ca. 200m unter NN.

Im eher muslimischen Nazareth übernachtete ich im bekannten Fauzi Azar Inn, dessen Inhaber Moaz den Trail mitbegründet hat und als Jude in einem riesigen arabischen Herrenhaus im muslimischen Stadtteil ein ganz besonderes Hostel führt, das nicht unerheblich zur Völkerverständigung im innerisraelischen Konflikt beiträgt. Dort ließ ich auch mein Gepäck und nahm nur einen kleinen Rucksack mit dem Nötigsten mit. Die zweite Nacht in Kanaa kam ich bei einer arabischen Familie unter, die fantastische palästinensische Spezialitäten auftischte. Die Folgenacht verbrachte ich wiederum im religiösen Kibbuz Lavi und lernte von einer 80-jährigen Holocaust-Überlebenden, wie ein Kibbuz funktioniert. Am Ziel in Kapernaum angelangt fuhr kein Bus mehr, aber ein freundlicher Kioskbesitzer nahm mich mit zurück nach Nazareth. Es stellte sich heraus, dass er zur christlichen Minderheit in Israel gehört. Treffend fasste er die Einstellungen der unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen scherzend zusammen: „Während Araber und Juden sich lediglich gegenseitig das Leben schwermachen, kommt uns Christen keine bessere Rolle zu. Denn uns mag keine der beiden Parteien.“

Der Jesus Trail vereint unwahrscheinlich viel. In nur vier Tagen erlebte ich dort faszinierende Landschaften, sowie religiöse, historische und kulturelle Highlights, für die andere wochenlang reisen. Außerdem bietet der Jesus Trail jedem die Möglichkeit, ins Pilgern mal reinzuschnuppern. Nenn es Pilgerreise oder Wanderung – am meisten genoss ich die unwahrscheinliche Freiheit in der Natur und Städten meine gewünschte Dosis an Kultur, Menschen und Landschaft persönlich festlegen zu können. Ein Weg um zu sich zu erden, ohne gleich zwischen Horden von Pilgern den großen Camino zu laufen.

Die Wanderung hatte mich nach ein paar hektischen Wochen im Büro perfekt in Stimmung gebracht, in die bewegte Geschichte Israels einzutauchen.

Als Izak mich abholte, brachte er mir sogar noch meine verloren geglaubte Kamera mit. Er eröffnete mir allerdings, dass er mich nicht bis an mein Ziel in Ost-Jerusalem fahren könnte, weil er dort als Jude nicht mehr heil herauskäme. Ich hätte aber Nichts zu befürchten.

Jesus Trail | Eine Gruppe Wanderer schaut vom Berg Arbel auf den See Genezareth

Jesus Trail | Blick vom Berg Arbel auf den See Genezareth, Photo by David Landis, Courtesy of www.jesustrail.com

» Jerusalem

Jerusalem ist in Sachen Schönheit und kultureller Vielfalt ein wenig so, als wenn verschiedenste Kulturen über 5000 Jahre alles was ihnen heilig und wichtig war auf dem nur einen Quadratkilometer der Jerusalemer Altstadt angehäuft hätten. Je tiefer Du gräbst, desto mehr Schätze offenbaren sich.

So wirkt die Altstadt wie eine gigantische religiöse Messehalle biblisch-orientalischer Anmutung. Auf kleinster Fläche liegen hier Jüdisches, Armenisches, Christliches und Muslimisches Viertel unmittelbar aneinander – ohne für den Laien unmittelbar ersichtliche Übergänge. Der Tempelberg stellt das Epizentrum des Nahost-Konflikts zwischen Judentum und Muslimen dar, da hier zwei in dieser Sache kaum kompromissbereite Religionen ohne jegliche Pufferzone ihren jeweils exklusiven Anspruch auf eine äußerst überschaubare Fläche erheben. Dort befinden sich auch die Wahrzeichen der Stadt: Während die Klagemauer eine der wichtigsten religiösen Stätten für das Judentum darstellt, ist der Tempelberg mit Felsendom und al-Aqṣā-Moschee die drittheiligste Stätte der Muslime nach Mekka und Messina.

Bei solch einer Geschichte und Konstellation ist es wenig verwunderlich, dass die Zahl der Sehenswürdigkeiten und deren Qualität enorm ist. Auch außerhalb der Jerusalemer Altstadt gibt es so unendlich viele spannende und bewegende Orte. Jeden Morgen erwachte ich mit unglaublicher Vorfreude es kaum erwarten zu können, ein Wunder der Stadt nach dem anderen zu entdecken. Aus irgendeinem Grund schien Jerusalem eine seltsame Energie auf mich zu projizieren. Hierbei sei gesagt, dass ich weder bibelfester Christ, noch begeisterter Historiker, an Erdstrahlen glaubender Esoteriker oder hyperaktiver Frühaufsteher bin. In Jerusalem war ist plötzlich all das.

Wenn mich jemand fragt, welche Stadt man in seinem Leben einmal besucht haben muss, ist das für mich ganz klar Jerusalem. Ob tiefgläubig oder Atheist spürst und verstehst Du in Jerusalem unmittelbar warum sich Kulturen unerbittlich seit Jahrtausenden um diesen Ort streiten. Es ist wie eine unbeschreibliche Magie die Jerusalem umgibt und jeden Anwesenden unweigerlich in ihren Bann zieht.

Obwohl Jerusalem ein Pulverfass ist und auf absehbare Zeit bleiben wird, habe ich mich unter Beachtung der Sicherheitshinweise und des tagesaktuellen Geschehens bei mehreren Besuchen nie unsicher gefühlt. Vielleicht liegt es am hohen Aufkommen an Sicherheitskräften. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich die in Konflikt stehenden Parteien der prekären Lage bewusst sind, dass es doch eine große Gemeinsamkeit gibt. Schließlich sitzen sie gemeinsam auf ein und demselben Pulverfass.

Nur schweren Herzens traf ich mich mit Izak am vereinbarten Treffpunkt zur Weiterfahrt ans Tote Meer.

Jerusalem | Durch das kunstvolle halbrunde Fenster sieht man die Altstadt

Jerusalem | Das vermutlich schönste Ort für Fotos der Altstadt ist der Innenraum von Dominus Flevit

» Totes Meer, Weltkulturerbe Masada & die Oase Ein Gedi

Nach 45 Minuten Fahrt über top ausgebaute Straßen waren wir bereits angekommen. Ans Tote Meer wollte ich seit ich als Kind das typische Bild zeitungslesender Badender gesehen hatte. Ganz abgesehen vom einzigartigen Badeerlebnis, wartet insbesondere das unmittelbare Umland mit kulturellen, historischen und landschaftlichen Schätzen auf, die unfraglich zu den beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten in Israel gehören.

Die Umgebung am Toten Meer ist skurril, mit ihren bizarren Felsformationen dennoch unvergleichlich schön. Die Strände an sich sind wahrlich kein Highlight in der staubigen Wüstenumgebung, aber das Badeerlebnis ist noch einzigartiger als ich es mir je hätte vorstellen können. Nur die Bilder Zeitungslesender sind im Sommer definitiv fake da kein Mensch es bei 48 °C Außentemperatur lange in der warmen Brühe aushält, geschweige denn noch liest. Ich bin froh, dass Izak mich gewarnt hatte, als ich 3-4 Tage dort einplanen wollte. Ein Nachmittagsbesuch reichte für dieses wunderliche Bad mit Blick auf die staubigen Anhöhen Jordaniens. So hatte ich noch genug Zeit, die berühmte Felsenfestung in Masada anzusehen, um dann inmitten dieser lebensfeindlichen Umgebung im Kibbutz der Oase Ein Gedi zu übernachten. Subtropisches Klima, Palmen, Wasserfälle und historische Stätten an denen sich schon David 1000 v. Chr. ergötzte, als er sich dort vor König Saul versteckte.

Auch ich hätte mich hier gerne noch ein paar Tage versteckt, doch Izak erwartete mich bereits für die Rückfahrt nach Tel Aviv.

Ein Gedi | Grüner Botanischer Garten im Kibbutz vor einem Haus mit Bäumen inmitten der Wüste

Ein Gedi | Botanischer Garten im Kibbutz, Bild: Itamar Grinberg für Israeli Ministry of Tourism bei flickr.com. Lizenz: CC BY-ND 2.0

» Waren meine Sorgen und Ängste vor der Reise nun berechtigt?

Nein, was aber auch nicht bedeutet, dass ich mich in Israel so entspannt bewegt habe wie beispielsweise in Tokio oder Singapur. Selten hatte ich auf Reisen die täglichen Nachrichten und Meldungen des Auswärtigen Amts regelmäßiger im Blick.

Aus zwischenmenschlicher Sicht war die Reise sehr entspannt. Die meisten Juden schienen uns die Verbrechen der Vergangenheit vergeben zu haben, die Araber hatten auch keinerlei Vorbehalte. Überhaupt ist man als durchschnittlicher christlicher Europäer in Israel scheinbar nicht Teil dieses Konflikts und Ziel von Anfeindungen.

Mein Sicherheitsgefühl war sehr hoch an allen Orten Israels. Klar in Ländern mit steter Terrorgefahr sind auch die Sicherheitskräfte massiv unterwegs und folglich reduziert sich analog die Kleinkriminalität. Angst, Opfer eines Anschlags zu werden, hatte ich wenig. Scherten sich die verfeindeten Parteien doch herzlich wenig um mich und das Risiko bestand darin, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Wie fast überall.

Jerusalem | Soldaten in der Altstadt bei eine Pause

Jerusalem | In Jerusalem sind viele Sicherheitskräfte

» Abschied aus dem Heiligen Land

Abends schlenderte ich noch einmal entlang der wunderschönen Strandpromenade von Tel Aviv, um die geballten Highlights von nur acht Tagen Revue passieren zu lassen. Ein wahrer Kanon der Superlative innerhalb kürzester Zeit. Coole Städte, historische Bauten, religiöse Orte, vielfältige Kulturen, tolle Strände, eine unvergleichliche Oase, skurrile Wüstenformationen, versalzene Meere, Trekking auf den Spuren Jesu Christi… ich beschloss schon damals in Kürze zurückzukehren, um meiner Frau dieses überwältigende Land zu zeigen. Vielleicht würde die Sicherheitslage es dann auch erlauben, die Palästinensischen Autonomiegebiete zu besuchen.

Am Morgen war ich wieder frühzeitig am Flughafen. Diesmal zu recht, denn ungelogen wurde jedes Gepäckstück geöffnet um dann einen Abstrich von jedem einzelnen Gegenstand, inklusive meiner alten Socken vom Jesus Trail zu nehmen. Knapp erwischte ich mein Flugzeug und wir wurden standesgemäß von den Blaulichtern des Bundesgrenzschutzes auf der Rollbahn in München empfangen.

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